Bericht des Mannheimer Morgen:
Er zieht die rote Uniform aus, dafür einen edlen bordeauxfarbenen Gehrock aus Samt an: Jochen Braxmeier, bisher Gardist in der Traditionsgarde des Feuerio, wird am Samstag beim „Weißen Ball“ als neuer Stadtprinz inthronisiert. Das passt zu der Kampagne, in der die Feuerio-Garde als älteste karnevalistische Formation Mannheims ihr 125-jähriges Bestehen feiert. Als „Jochen I. von Mannem Vorne“ will der 43-jährige Hotelfachmann aber auch Werbung für die von ihm erst im vergangenen Jahr neu kreierte lokale Sektmarke „Mannem Vorne“ machen.
„Ich hätte nie gedacht, dass das mal klappt“, gesteht Braxmeier. Als Gardist ist er zwar oft strammgestanden, als neue Prinzen inthronisiert wurden, hat die Regenten begleitet und mit ihnen gefeiert. „Ich habe auch mal überlegt, wie wäre das denn, wenn Du das machst?“, gesteht der künftige Prinz. Aber das Amt schien weit, weit weg – bis zu einem Tag Anfang November, als der Feuerio-Präsident Bodo Tschierschke ihn plötzlich anrief.
„Mannheimer aus Leidenschaft“
Tschierschke war dabei gewesen, als der Gardist seine neue Sektmarke präsentierte. „Ich bin Mannheimer von Geburt, aus Leidenschaft und Überzeugung“, so Braxmeier. Doch während es vom „Mannemer Dreck“ bis zum Eichbaum-Bier oder Gin viele lokale Spezialitäten gebe, fehle ein Sekt, stellte er fest – also ging er das Thema an. Das Weingut von Wolfgang Schreieck in St. Martin/Pfalz hat ihm geholfen, normalen Riesling-Sekt, einen Crémant und einem Pinot Rose Brut aus Spätburgundertrauben dafür ausgebaut und abgefüllt. Dabei soll „Mannem Vorne“ künftig nicht nur für Sekt, sondern auch für lokalpatriotisch-prickelnde Events stehen, von denen Braxmeier schon einige organisierte.
Dabei half ihm auch der Feuerio, stellte ihm etwa einen Ausschankwagen zur Verfügung. Besonders dankbar nennt Braxmeier Feuerio-Technikminister Michael Baake. Aber auch Präsident Tschierschke merkte da, dass er in den Reihen der Garde ein ganz besonderes Talent hat. Die Frage, ob er nicht Prinz werden wolle, hat Braxmeier gleich „völlig begeistert“, wie er sagt: „Ich finde es super, dass man mir das zutraut – ganz toll“, machte ihn der Anruf des Präsidenten stolz, „und das passt ja auch prima zum Gardejubiläum!“ Und doch habe er „erstmal ein bis zwei Tage Bedenkzeit“ erbeten, um alles zu klären.
Doch seine Eltern und sein Patenonkel hätten ihn ermutigt und würden ihn auch finanziell sehr unterstützen, sagt Braxmeier dankbar. Zudem hat er das Drehrestaurant „Skyline“ im Fernmeldeturm, wo die Fotos seiner Autogrammkarten aufgenommen worden sind, die Metzgerei Burkhardt auf dem Waldhof (mehrfacher deutscher und europäischer Weißwurst-Meister), den Gastrobetrieb Kübler und Schüßler (bekannt vom Biergarten auf der Mess) sowie das Weingut Schreieck als Unterstützer gewonnen.
Schließlich ist Braxmeier bisher nur nebenbei Jungunternehmer. Der Vertrieb der Sektmarke sei zwar „etwas mehr als ein Hobby“, aber er könne noch nicht davon leben, so der 43-Jährige. Der künftige Prinz arbeitet bei der Dorint-Hotelgruppe, betreut für deren Kölner Zentrale – mit Büro in Mannheim – als Key Account Manager M.I.C.E. Großkunden im Bereich Konferenzen und Ausstellungen. Zuvor hat er für zahlreiche andere Hotels in Deutschland und der Welt gearbeitet – aber in Mannheim gelernt.
1998 bis 2001 absolvierte er die Ausbildung im damaligen Steigenberger-Hotel „Mannheimer Hof“. Daher rührt auch sein erster Kontakt mit dem „MM“. Als der „MM“ im Jahr 2000 mit einer Lesergruppe hinter die Kulissen des damaligen Nobelhotels blickt, flambiert Auszubildender Jochen Braxmeier im urigen „Holzkistl“-Restaurant Crêpe Suzette mit Grand Marnier. „Die Azubis mussten immer in den Service, wenn große Veranstaltungen im Haus waren“, erinnert sich Braxmeier – und der Feuerio richtete damals viele große Veranstaltungen im „Mannheimer Hof“ aus und hatte dort auch seine Geschäftsstelle.
Tradition und Parodie
„Die Uniformen fand ich toll“, weiß er noch, wie die Garde immer für den Prinzen vor dem Hotel Spalier und Wache stand, und einmal habe der Feuerio dem Servicepersonal auch Orden verliehen. Als ihm das so gefiel, sei er angesprochen worden, ob er nicht beim Feuerio mitmachen wollte – aber das zerschlug sich, weil Braxmeier nach der Lehre die Chance bekam, ins Renaissance Worthington Hotel in Fort Worth in Texas zu wechseln. Eine Großtante, die vor 50 Jahren mit einem US-Soldaten aus Mannheim nach Amerika ausgewandert war, hatte ihm das vermittelt – doch wegen der Terroranschläge am 11. September 2001 wurde sein Visum nicht verlängert.
Daher machte Braxmeier in deutschen Hotels Karriere, und während seiner Zeit in Köln trat er dem Reiterkorps „Treuer Husar“ bei, ritt beim Rosenmontagszug mit. Zurück in Mannheim wäre er gerne wieder einem Reiterkorps beigetreten. Doch das gibt es in der Quadratestadt nicht. So stieß Braxmeier 2016 zur marschierenden Prinzengarde des Feuerio. „Es ist eine Mischung aus Tradition und Parodie mit viel Fröhlichkeit, da fühle ich mich sehr, sehr gut aufgehoben“, schwärmt er.
Doch in dieser Kampagne wird er nicht marschieren. „Ich habe eben eine andere Rolle“, sagt er. Dabei wolle er zeigen, wie wichtig und wie vielfältig die Fasnacht sei. „Wo Fasnacht gefeiert wird, ist es friedlich“, betont er. Aber gefeiert werde „nicht ausschließlich in Vereinen“, weshalb er zudem die Gastronomen besuchen und unterstützen wolle, die sich an den tollen Tagen beteiligen werden: „Dafür will ich eine Lanze brechen“, kündigt er an.
Ein eigenes Sozialprojekt, für das er Spenden sammelt, hat der neue Prinz im Gegensatz zu vielen seiner Vorgänger nicht. Lieber schließt er sich der Initiative von Stadtprinzessin Larissa I. von den „Löwenjägern“ an, die bereits für die Deutsche Leukämieforschungshilfe – Aktion für krebskranke Kinder sammelt. „Ich finde, wir sollten die Kräfte bündeln“, meint Braxmeier.